Die Volksanwaltschaft präsentiert ihren aktuellen Steiermark Bericht

11. September 2018

Zahlen, Daten, Fakten

In den Jahren 2016-2017 wandten sich insgesamt 727 Steirerinnen und Steirer mit einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft. Sie fühlten sich von der Steiermärkischen Landes- und Gemeindeverwaltung nicht korrekt behandelt oder unzureichend informiert. Das bedeutet einen leichten Rückgang gegenüber dem vorigen Bericht 2014-2015, als 754 Steirerinnen und Steirer die Volksanwaltschaft mit einer Beschwerde kontaktierten. In 87 Fällen stellte die Volksanwaltschaft einen Missstand in der Verwaltung fest, was einem Anteil von rund 11,2 % aller erledigten Verfahren entspricht.

Kontrollbesuche zum präventiven Schutz der Menschenrechte

Im Rahmen des Mandats zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte führten die Experten-Kommissionen der Volksanwaltschaft in der Steiermark insgesamt 132 Kontrollen durch: davon entfielen 115 auf Besuche in Einrichtungen, in denen Menschen die Freiheit entzogen wird oder entzogen werden kann, und 17 auf die Beobachtung von Polizeieinsätzen.

„Die durchgeführten Prüfverfahren bilden die Grundlage dafür, Schwachstellen und Fehlentwicklungen in der Verwaltung aufzeigen zu können. Die einzelnen Beiträge machen deutlich, mit welchen Problemen die Bevölkerung im Kontakt mit den Behörden konfrontiert ist und welche menschlichen Schicksale hinter den Beschwerden liegen“, zieht der derzeitige Vorsitzende der Volksanwaltschaft Dr. Peter Fichtenbauer Bilanz. Die Berichte der Volksanwaltschaft sollen dazu beitragen, die Verwaltung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger noch effizienter zu machen.

 

Überblick über die Prüftätigkeit anhand ausgewählter Beschwerdefälle

Nach der Gemeindefusion explodierten die Kanalgebühren

Nach der Gemeindefusion mit den Nachbargemeinden im Jahr 2015 erhöhte die südsteierische Marktgemeinde St. Veit drastisch ihre Kanalbenützungsgebühr. Einen Bürger, den Betreiber einer Waschanlage, traf diese Erhöhung besonders hart, da seine Rechnung für die Kanalbenützung seither um knapp 170 % höher ausfiel. Er fühlte sich durch die Vorgehensweise seiner Gemeinde ungerecht behandelt und beschwerte sich bei der Volksanwaltschaft.

Laut Steiermärkischer Gemeindeordnung muss die Gemeinde darauf achten, dass es bei der Festsetzung von Gebühren nach einer Fusion nicht zu einer außerordentlichen Erhöhung kommt. Dabei spricht das Gesetz von einer außergewöhnlichen Erhöhung, wenn die neue Gebühr um mehr als 20 % gegenüber der alten Vorschreibung angehoben wird. „Mit dieser Regelung wollte der Landesgesetzgeber offensichtlich vermeiden, dass es im Zuge der Zusammenlegung von Gemeinden zu erheblichen Gebührenerhöhungen kommt“, erklärt Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer.

Die Steiermärkische Landesregierung argumentierte jedoch, dass die neuen Gebühren noch vor der Fusion vom Gemeinderat der ursprünglichen Gemeinde Weinburg am Saßbach im November 2014 beschlossen und auf die neu geschaffene Marktgemeinde St. Veit übergeleitet worden seien.

Volksanwalt Fichtenbauer kritisiert diese Vorgehensweise: „Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn eine Gemeinde wenige Wochen vor Wirksamwerden der Gemeindezusammenlegung mittels Verordnung die Kanalgebühren erhöht. Die vom Landesgesetzgeber intendierte Schutzfunktion der Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger wurde dadurch ganz offensichtlich umgangen.“

In einem weiteren Beschwerdefall war es in der Marktgemeinde Scheifling zu einer nahezu gleichartigen Vorgehensweise bei der Erhöhung der Kanalgebühren gekommen. Um eine solche Umgehung in Zukunft zu verhindern, regte die Volksanwaltschaft eine Änderung der einschlägigen Bestimmungen der Gemeindeordnung an. Die Steiermärkische Landesregierung lehnte dies jedoch ab.

 

Psychiatrie Steiermark: „Umfassende Strukturreform dringend nötig“

Bereits vor Bekanntwerden der Misshandlungen von wehrlosen Patienten auf der Erwachsenenpsychiatrie des LKH Graz Süd-West/Standort Süd hatte die Volksanwaltschaft wiederholt Strukturmängel aufgezeigt und vor Eskalationen gewarnt. Nach anfänglicher Kritik an der Volksanwaltschaft (!) hat sich mittlerweile die Einsicht durchgesetzt, dass nur eine tiefgreifende Reform die Antwort auf die Missstände sein kann, so Volksanwalt Günther Kräuter: „Die Kommunikation mit den Verantwortlichen und die Kooperationsbereitschaft der KAGes haben sich inzwischen wesentlich gebessert.“ Aus Sicht der Volksanwaltschaft sei eine lange Liste von Anforderungen zu erfüllen:

·         mehr Pflegepersonal und mehr ärztliches Personal (der knappe Personalstand erhöht das Risiko für Behandlungsfehler sowie vermeidbare Schutzfixierungen und Gewalteskalation)

·         regelmäßige Supervision und vermehrte fachliche Fortbildung

·         Optimierung und Verstärkung von Gewaltschutz- und Deeskalationskonzepten

·         keine Fixierungen im Mehrbettzimmer

·         rasche Verbesserung der räumlichen Situation, Abschaffung von Mehrbettzimmern

·         Regionalisierung der psychiatrischen Strukturen in der Steiermark, um Familienbesuche zu ermöglichen und lange Transporte zu vermeiden

Die Gestaltung des Umfelds ist neben verschiedenen Therapieformen wesentlich zur Behandlung psychisch Kranker. Das sollte sich in einer Kommunikation auf Augenhöhe, bedürfnisorientierten Stationsstrukturen und einer kontinuierlichen Interaktion vor allem vor und nach konflikthaften Geschehnissen widerspiegeln.

Kräuter: „Schwierige Rahmenbedingungen können zu Formen der körperlichen oder psychischen Gewalt führen, die sich beispielsweise in Drohungen, Kränkungen, bis hin zu körperlichen Übergriffen äußern.“ Gerade im Umgang mit psychisch kranken Menschen, die sich zum Teil gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Einrichtung befinden, sei ein wertschätzender Umgang und Achtsamkeit bei der Wortwahl von besonderer Bedeutung.

Falls gewünscht steht Volksanwalt Günther Kräuter der Sonderkommission unter dem Vorsitz des Grazer Alt-Bürgermeister Alfred Stingl mit der Expertise der Volksanwaltschaft – pro Jahr werden rund 100 Einrichtungen im Pflegebereich unangekündigt besucht – zur Verfügung.

 

Missstände im Bereich der steirischen Raum- und Bauordnung

Zahlreiche Steirerinnen und Steirer wandten sich im Berichtszeitraum mit Beschwerden rund um die Raum- und Bauordnung an die Volksanwaltschaft: 210 Anliegen – und damit der Großteil der steirischen Prüfverfahren – betrafen diesen Bereich. Dabei stellte die Volksanwaltschaft einige, teils recht besorgniserregende, Missstände fest.

Richtige Berechnungen falsch korrigiert

Der Besitzer eines kleinen Weingartens beschwerte sich darüber, dass am Nachbargrundstück ein 226 m2 großer Neubau bewilligt wurde. Grundlage der Bewilligung war ein Gutachten über ein untergegangenes Presshaus aus dem Jahr 2009. Die Wiedererrichtung untergegangener Objekte ist zwar möglich, die Gesamtfläche des Neubaus darf allerdings maximal das Doppelte des alten Gebäudes betragen. Obwohl die Maße des Altbestands im Gutachten klar ausgewiesen sind und für die Baubehörde leicht zu berechnen gewesen wären, stellte die Volksanwaltschaft ein fehlerhaftes Rechenergebnis zugunsten des neuen Bauprojektes fest. Zudem wurde auch der gesamte Dachboden des alten Objektes fälschlicherweise Weise miteinbezogen, was die maximal zulässige Gesamtgröße des Neubaus weiter reduziert.

Absolut nicht nachvollziehbar ist für die Volksanwaltschaft, dass von der Baubehörde mit Bleistift Berechnungen am Gutachten durchgeführt wurden, die richtige Ergebnisse durch falsche Zahlen überschreiben.

Volksanwältin Gertrude Brinek dazu: „Diese Vorgehensweise ist nur damit erklärbar, dass die zunächst richtigen Berechnungen offenbar nachträglich falsch korrigiert wurden, um eine höher zulässige Gesamtfläche auszuweisen. So sollte wohl der Anschein erweckt werden, dass das eingereichte Bauobjekt den Vorgaben entspricht.“

 

Ausführliche Beschreibungen zu Prüffällen der Volksanwaltschaft in der Steiermark finden Sie in der Presseunterlage sowie im aktuellen Steiermark Bericht 2016/2017.