Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderung

27. Februar 2012

Fehlende Rechtssicherheit, mangelhafte Information und eine uneinheitliche Gesetzeslage – das sind laut Volksanwaltschaft nur einige der Probleme vor denen Menschen mit Behinderung in Österreich stehen. Der Entwurf zum Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderung (NAP) von Sozialminister Hundstorfer enthält zielführende Maßnahmen, trotzdem besteht in einigen Bereichen Handlungsbedarf, wie die Volksanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zum NAP-Entwurf detailliert ausführt.

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Hier besteht großer Handlungsbedarf.

Viele Probleme von Menschen mit Behinderung, wie etwa die mangelhafte oder fehlende bauliche Barrierefreiheit in Österreich, sind schon lange bekannt, und begegnen den Mitgliedern der Volksanwaltschaft in ihrer täglichen Arbeit immer wieder. Davon betroffen sind derzeit in Österreich ca 1,7 Mio Menschen. Deshalb fordert die Volksanwaltschaft eine bundesweite Harmonisierung der Bauvorschriften und die Zuziehung eines Vertreters einer Behindertenorganisation bei größeren Bauvorhaben. Öffentliche Gelder, insbesondere die Vergabe von Wohnbauförderungsmitteln, sollten nur mehr dann gewährt werden, wenn Vorhaben dem technischen Stand entspricht.

Derzeit benötigen in Österreich mehr als 440.000 Menschen – das sind rund fünf Prozent der Gesamtbevölkerung – ständig Pflege und bezogen 2011 Pflegegeld. Diese Zahl der Pflegebedürftigen wird infolge der demographischen Entwicklung in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Das Pflegegeld soll einen Beitrag zu den pflegebedingten Mehrausgaben leisten, damit kranke Menschen oder Menschen mit Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Durch die fehlende Valorisierung und die Verteuerungen bei den Pflegeleistungen ist das Pflegegeld zunehmend nicht mehr in der Lage, diesen Zweck zu erfüllen. Volksanwaltschaft fordert deshalb seit Längerem schon eine gesetzlich garantierte Valorisierung des Pflegegeldes.

Fehlende Rechtssicherheit ortet die Volksanwaltschaft im Bereich der persönlichen Assistenz beim Schulbesuch. Die finanzielle Unterstützung für Betroffene ist derzeit oft eine Frage des „Goodwill" der einzelnen Behörden. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet Österreich aber zur Gewährleistung eines integrativen Bildungssystems auf allen Ebenen. Kinder und Jugendliche dürfen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Die im NAP-Entwurf vorgesehene Forcierung des inklusiven Unterrichts wird daher von der Volksanwaltschaft begrüßt. Die Verfahren für eine erfolgreiche und sinnvolle Integration und Förderung der Kompetenzen von Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen müssen aber viel konkreter und umfassender ausgestaltet werden.

Auf Grund der Vielzahl der Beschwerden im Zusammenhang mit einer Sachwalterschaft kann die Volksanwaltschaft nur bekräftigen, dass die Zielsetzungen der Novelle 2006 augenscheinlich nicht voll erreicht wurden. Das Thema muss in Zukunft gesamtheitlicher und nicht nur aus dem Aspekt der Rechtsfähigkeit gesehen werden. Die Volksanwaltschaft begrüßt daher die Absicht des Ausbaus der Vereinssachwalterschaft. Dabei sollten nicht nur Fragen der rechtlichen Betreuung, sondern auch Fragen der persönlichen Betreuung und der Pflege behandelt werden. Der Information und Ausbildung von Angehörigen sollte entsprechender Stellenwert zukommen, es sollte ebenfalls verstärkt auf die Möglichkeit der rechtzeitigen Erteilung einer Vorsorgevollmacht hingewiesen werden.

Der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinderung 2012 – 2020 beinhaltet die Leitlinien der österreichischen Politik zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Ab 1. Juli 2012 wird die Volksanwaltschaft neue Aufgaben als Organ im Sinne des Art. 16 Abs. 3 UN-Behindertenrechtskonvention übernehmen und mit mindestens sechs interdisziplinären und multiethnischen Kommissionen bundesweit, auch unangemeldete, Kontrollbesuche durchführen. Sichergestellt ist, dass der Volksanwaltschaft und ihren Kommissionen uneingeschränkter Zutritt zu allen Orten einer Freiheitsentziehung sowie zu Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gewährt werden muss, sowie alle relevanten Informationen erteilt werden müssen.